http://www.welt.de/data/2006/11/15/1110849.html
Kunstmarkt
Ronald Lauder: "Ich kaufe nicht fŸr mich"
Der MilliardŠr und Kunstsammler Ronald S. Lauder hat im Juni 135 Millionen
Dollar fŸr Klimts "Goldener Adele" ausgegeben und letzte Woche fŸr
38
Millionen Dollar Kirchners "Berliner Stra§enszene" ersteigert. Ein
GesprŠch
Ÿber jŸdische Erben, Verantwortung und das Pulsrasen wŠhrend einer
Auktion.
Ronald Lauder ist bei Versteigerungen meist nur am Telefon dabei Foto:
pa/AKG
Ronald Lauder ist bei Versteigerungen meist nur am Telefon dabei Foto:
pa/AKG
WELT.de: Im Juni haben Sie fŸr 135 Millionen Dollar Gustav Klimts PortrŠt
"Adele Bloch-Bauer I" von der Erbin der einstigen jŸdischen Besitzer
gekauft. Seit vergangenem Mittwoch gehšrt Ihnen auch Ernst Ludwig Kirchners
"Stra§enszene", die Sie fŸr 38 Millionen Dollar ersteigerten. Ist der
Kirchner schon bei Ihnen?
Ronald S. Lauder: Nein, das Bild mŸsste noch bei Christie's sein.
WELT.de: Hatten Sie sich fŸr den Kirchner ein Limit gesetzt?
Lauder: Ja, das hatte ich.
WELT.de: Wo lag es?
Lauder: Alles, was ich sagen kann: Es lag sehr nah an dem Preis, den
ich
gezahlt habe.
WELT.de: Wie reagiert Ihr Kšrper bei solchen Auktionen? Schie§t der
Puls
nach oben?
Lauder: Ja. Deshalb gehe ich nur selten zu Auktionen. Auch bei der
Kirchner-Versteigerung war ich ja nicht anwesend, einfach wegen der
gro§en
Emotionen. Deshalb habe ich in den letzten zehn Jahren nur zwei oder
drei
Auktionen besucht.
WELT.de: Waren Sie beim Kirchner denn nicht live dabei?
Lauder: Doch, ich habe die Auktion am Telefon verfolgt. Was auch den
Vorteil
hat, dass niemand sehen kann, wenn ich mit biete. Die Versteigerung
war sehr
bewegend, weil mich Kirchners "Stra§enszene" schon fast ein ganzes
Leben
lang fasziniert. Ich sehe sie als eines der ganz gro§en Kunstwerke.
Soweit
ich wei§, waren die letzten drei Mitbieter alles Privatleute, von denen
zwei
keine Amerikaner waren, und alle drei hŠtten das Bild fŸr sich behalten,
wŠhrend ich es in meiner "Neuen Galerie" in New York šffentlich zeigen
werde.
WELT.de: Kirchners "Stra§enszene" ist eines von mehreren GemŠlden, die
zuletzt an die Erben der ehemaligen jŸdischen EigentŸmer zurŸckgegeben
wurden. Kritiker werfen Ihnen vor, eine bedenkliche Doppelrolle zu
spielen:
Als Initiator der internationalen Restitutions-Vereinbarungen seien
Sie
zugleich einer derjenigen, die am meisten Nutzen daraus ziehen.
Lauder: Das ist lŠcherlich. Zuallererst: Das Gesetz wurde 1998 von
Regierungen ausgehandelt, nicht von Individuen wie mir. Meine Rolle
war,
Informationen zusammenzutragen Ÿber Kunstwerke in Museen, die restituiert
werden mŸssten. Ich habe das Gesetz nicht gemacht, ich war einer von
einem
guten Dutzend Experten, die Gutachten beisteuerten. Mir war damals
wichtig,
dass man sich Ÿberhaupt um diese Probleme kŸmmert und dass es eine
einheitliche Regelung fŸr alle LŠnder geben sollte, keine Sonderrollen.
Das
ist alles acht Jahre her. Die "Goldene Adele" wurde mir angeboten nicht
wegen meiner Person, sondern weil die Erbin mein Museum "Neue Galerie"
in
New York schŠtzt und weil sie wollte, dass das Bild dort fŸr die
…ffentlichkeit zugŠnglich ist. Andere Sammler hŠtten es wahrscheinlich
fŸr
immer weggeschlossen. Mit unserer "Neuen Galerie" sind wir die besten
Botschafter fŸr deutsche und šsterreichische Kunst au§erhalb dieser
beiden
LŠnder. Es ist traurig, wenn man Gutes tut und dafŸr kritisiert wird.
Ich
habe die Bilder nicht fŸr mich gekauft, sondern fŸr jene, die einst
von den
Nationalsozialisten enteignet wurden. Viele Leute scheinen vergessen
zu
haben, wie dies alles angefangen hat. Gerade in Deutschland wird Ÿber
Restitutionen oft nur unter dem Aspekt gesprochen, dass dem Land etwas
weggenommen wird.
WELT.de: Werden wir eine neue Welle von Restitutionen erleben?
Lauder: Von einer Welle wŸrde ich nicht sprechen. Ich denke, dass die
Mehrheit der RestitutionsfŠlle heute auf dem Tisch liegt. Wie viele
noch
kommen? Ich wei§ es nicht. Lassen Sie mich von meiner Erfahrung als
Chairman
beim Museum of Modern Art in New York erzŠhlen. Damals haben viele
Museen
der Vereinigten Staaten intensiv die Herkunft ihrer GemŠlde erforscht,
eine
gro§artige Anstrengung. Es wurden ZweifelsfŠlle gefunden, und einige
Kunstwerke den Erben der frŸheren Besitzer zurŸckgegeben. In anderen
LŠndern
ist das nicht in diesem Ma§e geschehen, auch in Deutschland nicht.
HŠtte man
sich frŸher darum gekŸmmert, hŠtten sich manche der heutigen Probleme
vermeiden lassen.
WELT.de: Deutschland hat hier die grš§ten Defizite?
Lauder: Deutschland spielt einfach die zentrale Rolle, weil es der
wichtigste Schauplatz der damaligen Enteignungen war. Aber noch einmal:
Am
wichtigsten ist, nicht zu vergessen, wie die Kunstwerke in deutsche
Museen
kamen. Ich habe zuletzt einige Zeit mit der Erbin der Klimt-Bilder,
Maria
Altmann, verbracht und dabei viel Ÿber das Schicksal der Familie Bloch-Bauer
erfahren, die einst sehr wohlhabend war. Adele Bloch-Bauer starb 1925,
und
Ferdinand Bloch-Bauer flŸchtete nach Tschechien und dann Ÿber viele
Umwege
in die Schweiz, wo er kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, seines
Vermšgens entzogen, mittellos und einsam starb. Ihm war alles weggenommen
worden: sein Besitz, sein Unternehmen, seine HŠuser. Und die Bilder,
die ihm
noch gehšrten, bekam er nicht zurŸck. Maria Altmann kam Ÿber Liverpool
in
die USA und hat die meiste Zeit ihres Lebens in einfachen VerhŠltnissen
in
Los Angeles gelebt, sie ist heute 90 Jahre alt. Die Bilder ihrer Familie
besa§ inzwischen …sterreich, wo man wusste, dass man sie hŠtte zurŸckgeben
mŸssen, dies aber nicht tat. Der kŸrzlich verstorbene Journalist Hubertus
Czernin fand schlie§lich das Testament von Adele und das von Ferdinand,
aus
dem hervorgeht, dass Maria Altmann als letzte lebendige Erbin die Bilder
bekommen sollte.
WELT.de: Reden wir bei der Restitution Ÿber juristische oder moralische
Verpflichtungen?
Lauder: FŸr mich hŠngt beides zusammen. Die juristische Frage muss
doch
sein, wie man etwas zu Unrecht in ein Museum ŸberfŸhren konnte. Bei
den
internationalen Verhandlungen waren sich alle beteiligten LŠnder einig,
dass
es eine universelle VerstŠndigung Ÿber Restitutionen geben muss, man
wollte
ein einheitliches Verfahren. Manche Museen haben die Erben der
ursprŸnglichen Besitzer ausbezahlt. Im Falle der "Goldenen Adele" hat
die
Erbin meines Wissens …sterreich angeboten, die Bilder zu kaufen, was
das
Land ablehnte. Auch im Fall Kirchner gab es soweit ich wei§ Verhandlungen,
aber es lag kein angemessenes Angebot vor.
WELT.de: Woher kommt Ihr Interesse fŸr deutsche und šsterreichische
Kunst?
Lauder: Das reicht bis in die AnfŠnge meines Sammelns zurŸck. Damals
wollten
alle franzšsische moderne Kunst kaufen, was sie sehr teuer und fŸr
mich
unerschwinglich machte. FŸr deutsche und šsterreichische Werke
interessierten sich nur wenige. Ich fing deshalb mit šsterreichischen
Malern
an. Als 16jŠhriger habe ich fŸr meinen ersten Kirchner 30 000 Dollar
bezahlt. Ein franzšsisches Bild hŠtte zehnmal so viel gekostet.
WELT.de: Bei Ihrem ersten Kauf, einer Schiele-Zeichnung, waren Sie angeblich
dreizehn Jahre alt.
Lauder: Ich war vierzehn.
WELT.de: Worin sehen Sie das Charakteristische der deutschen Kunst?
Lauder: Es ist eine kraftvolle Kunst, sehr expressionistisch, sehr
hart,
fast brutal. Ich liebe Kandinsky, der zwar kein Deutscher ist, aber
von
Deutschland stark beeinflusst wurde, ich schŠtze Klee, die ganze
BrŸcke-Schule. Schiele und Klimt haben nicht diese brutale Kraft, aber
es
sind auch gro§artige KŸnstler. In meiner Zeit beim Museum of Modern
Art habe
ich noch den legendŠren Direktor Alfred Barr kennen gelernt. Ihm war
deutsche und šsterreichische Kunst gleichgŸltig. Das gilt bis heute
fŸr
viele Museen in den USA. Deshalb kennt das amerikanische Publikum diese
Kunst kaum. †ber Kirchner ist wenig bekannt, vor meinem Kauf der "Goldenen
Adele" war es mit Klimt Šhnlich. Die erste Zeichnung, die ich dem Museum
of
Modern Art vermacht habe, war ein Kirchner, auch der erste Klimt und
der
erste Schiele des Museums stammten von mir. Sie sehen: Meine Leidenschaft
hat eine lange Geschichte.
Das GesprŠch fŸhrte Rainer Haubrich
Artikel erschienen am 15.11.2006