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FŸr "Adele II" und einen Birkenwald
Von Rose-Maria Gropp
ãAdele Bloch-BauerÓ (1912) von Gustav Klimt
26. September 2006
Nun ist auch das offiziell: Die verbliebenen vier der bedeutenden fŸnf
GemŠlde von Gustav Klimt aus dem Nachla§ von Adele und Ferdinand
Bloch-Bauer, die Anfang dieses Jahres von …sterreich an die in Amerika
lebende Erbin restituiert wurden, sollen am 8. November im Rahmen der
Auktion mit Impressionismus und Moderne bei Christie's in New York
versteigert werden. Nach einem sechs Jahre wŠhrenden Rechtsstreit hatte
ein
Schiedsgericht in …sterreich die Werke, die zuvor in der …sterreichischen
Staatsgalerie im Oberen Belvedere in Wien hingen, der neunzigjŠhrigen
Maria
Altmann in Los Angeles zugesprochen.
Das berŸhmteste der fŸnf Bilder, das goldene PortrŠt ãAdele Bloch-Bauer
I
Ò von 1907, hat bereits im Juni der Kosmetik-Unternehmer und Sammler
Ronald
Lauder fŸr sein Museum deutscher und šsterreichischer Kunst, die ãNeue
GalerieÒ in New York, erworben - fŸr den absoluten Hšchstpreis von
angeblich
135 Millionen Dollar und in einer privaten Transaktion, bei der bereits
die
Firma Christie's vermittelnd tŠtig war. Am 7. August dann beauftragte
die
Familie der Erbin Christie's mit der Beratung beim Verkauf der verbliebenen
vier GemŠlde. Man habe den Erben, so steht es jetzt in einer Mitteilung
des
Auktionshauses, zur šffentlichen Versteigerung geraten - mit dem erklŠrten
Ziel, die Bilder in ãsuperben SammlungenÒ zu plazieren: ein dankenswertes
Vorhaben, an dem sich das Haus wird messen lassen mŸssen.
Exorbitante Preisvorstellungen
BerŸhmt unterm Hammer: ãAdele Bloch-Bauer IÓ wurde bereits im Juni verkauft
Implizit nŠhrt diese AnkŸndigung auch eine Vermutung: Keine mšglicherweise
am Erwerb eines der Bilder interessierte Person oder Institution, weder
in
…sterreich oder in ganz Europa noch in den Vereinigten Staaten, war
bis
dahin in der Lage, den Preisvorstellungen der Erben und ihrer Berater
gerecht zu werden. Denn sonst hŠtte wohl das Los Angeles County Museum
of
Art, wo die Bilder im April nach der Restitution ausgestellt waren,
seine
Chance genutzt - oder, vielleicht einmal mehr, die Neue Galerie, wo
sie noch
alle fŸnf bis zum 9. Oktober zu sehen sind. Ronald Lauder hŠtte man
auch die
zŠrtliche ãAdele IIÒ von 1912 (fŸr die Christie's vierzig bis sechzig
Millionen Dollar erwartet) zugetraut und fŸr sie den Platz bei der
ãGoldenen
AdeleÒ erhofft; aber das mag Wunschdenken gewesen sein.
Nun hat sich im Fall der Bloch-Bauer-Bilder in der ãNew York TimesÒ -
deren
Berichterstattung Ÿber den Kunstmarkt zwar intensiv, kenntnisreich
und
schnell in Hinblick auf Herkunft und Wege einzelner Werke ist, die
sich aber
Ÿblicherweise kulturpolitischer Einlassungen dabei enthŠlt - Michael
Kimmelman, der einflu§reiche Kunstkritiker des Blattes, zu Wort gemeldet
unter der Schlagzeile: ãDie Klimts gehen auf den Markt. Die Museen
halten
den Atem anÒ. Kimmelman schreibt: ãWie traurig - wenngleich nicht
Ÿberraschend - ist es zu hšren, da§ die Erben von Ferdinand und Adele
Bloch-Bauer tatsŠchlich Kasse machen (ãcashing inÒ) wie geplant und
die vier
Klimts bei Christie's im November verkaufen. Eine Geschichte Ÿber
Gerechtigkeit und Einlšsung nach dem Holocaust ist nun doch in eine
weitere
Fabel Ÿber den verrŸckten, berauschenden Kunstmarkt Ÿbergegangen.Ò Und
Kimmelman fŠhrt fort: ãWŠre es nicht bemerkenswert gewesen (ich trŠume
hier
nur), wenn die Erben sich statt dessen entschlossen hŠtten, eines oder
mehrere der GemŠlde einer šffentlichen Institution zu stiften? Oder,
mangels
dessen, einen privaten Verkauf an ein Museum auszuhandeln, zu einem
Preis
unterhalb der SchŠtzungen des Auktionshauses zwischen fŸnfzehn und
sechzig
Millionen Dollar?Ò
In šffentliche HŠnde gewŸnscht
Wird auf zwanzig bis drei§ig Millionen Dollar geschŠtzt: "Birkenwald" (1903)
Kimmelman weist auf das Verdienst der Museen hin, den Klimt-Bildern
noch
mehr Prestige und Beachtung eingebracht zu haben, und sein kluger geschulter
Blick gilt vor allem dem wunderschšnen ãBirkenwaldÒ (oder auch ãBuchenwaldÒ)
aus dem Jahr 1903 (der jetzt auf zwanzig bis drei§ig Millionen Dollar
geschŠtzt ist): Ihn wŸnschte er sich am meisten von den Erben in šffentliche
HŠnde Ÿbergeben und befindet, da§ sie so ãdie Rechtschaffenheit ihrer
Schlacht um die Restitution unterstrichenÒ hŠtten und zudem klargestellt,
da§ ãKunst, selbst in diesen geldversessenen Tagen, nicht nur von Geld
handeltÒ.
Michael Kimmelmans Artikel hat den Charakter einer emphatischen Erinnerung:
Er appelliert an den zutiefst amerikanischen Gemeinsinn und ruft die
gro§e
amerikanische Tradition der Stiftungen und Schenkungen ins GedŠchtnis,
in
der sich der Geist gesellschaftlicher Verantwortung so vorbildlich
wie
eindrucksvoll spiegelt; diese Gepflogenheit hat die Museen in den
Vereinigten Staaten zu den SchatzhŠusern gemacht, die sie sind. Und
vielleicht ist Amerika ja noch immer das Land, in dem Michael Kimmelmans
Stimme Gehšr findet.
Text: F.A.Z., 23.09.2006, Nr. 222 / Seite 53
Bildmaterial: AP, REUTERS