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Die unendliche Geschichte
Liegenschaftsrestitutution

Roland Kanfer

Trotz eines positiven Beschlusses lässt die Rückgabe eines von den
Nationalsozialisten enteigneten Palais auf sich warten.

Hohe Warte. Auch die ehemalige Villa der österreichischen Bundespräsidenten
wurde »arisiert«. Die Erben der enteigneten Besitzer fordern sie jetzt von
der Republik Österreich zurück.
Weitere Anträge auf Liegenschaftsrestitution, darunter für ein im Besitz der
ÖBB befindliches Haus, könnten den Druck auf die Regierung erhöhen, die
Naturalrestitution von einer Niederschlagung der Sammelklagen gegen
Österreich zu entkoppeln.

Warten, warten, warten: Mehr als eineinhalb Jahre ist es her, dass die
Schiedsinstanz für Naturalrestitution die Rückgabe des Wiener
Innenstadtpalais Weihburggasse 30, das 1938 von seinen jüdischen Besitzern
an die NS-Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung verkauft werden musste,
empfohlen hat (siehe Artikel Report Plus 1/2004). Geschehen ist seither
nichts. Österreich beruft sich auf die im Washingtoner Abkommen im Jahr 2001
vereinbarte Rechtssicherheit, die Restitutionen erst dann erlaubt, wenn die
in den USA anhängigen Sammelklagen gegen die Republik erledigt sind.
Irgendwann war die Rede vom Frühjahr 2004, heute wartet man noch immer. Und
der Hoffnung, dass die Bundesregierung, so wie sie es schon bei den
Sozialleistungen für NS-Opfer getan hat, bei der Liegenschaftsrestitution
auf die Rechtssicherheit verzichtet, erteilt Bundeskanzler Wolfgang Schüssel
eine Absage: »Die Erlangung der Rechtssicherheit ist essenzielles Element
des Abkommens, ein separates Settlement mit den Klägern würde das Abkommen
sprengen«, lässt er mitteilen.

Was nicht alle Beteiligten verstehen. Mit der Frage, warum eine Entkoppelung
der Naturalrestitution von der Rechtssicherheit nicht möglich sein sollte,
hat sich Terezija Stoisits, grüne Nationalratsabgeordnete und
Kuratoriumsmitglied des Entschädigungsfonds, zwar noch nicht beschäftigt,
sie hält sie aber für überlegenswert: »Eine Entkoppelung wäre einfach, weil
die Ansprüche bei einer Naturalrestitution nicht teilbar sind«, glaubt sie.
Das Paket Rechtssicherheit, auf dem der Entschädigungsfonds basiert, müsste
nur aufgeknüpft werden, so wie es bei den Entschädigungszahlungen für
Mietwohnungen bereits geschehen sei. Auch Josef Aicher, Vorsitzender der
Schiedsinstanz für Naturalrestitution, ist der Ansicht, dass die Republik
auf die Rechtssicherheit verzichten könnte.

Verzögerungen kontraproduktiv.

Rechtsunsicher. Die Rückgabe der Weihburggasse 30 wurde bereits vor
eineinhalb Jahren empfohlen. Geschehen ist nichts.Eine Entscheidung sollte
bald fallen. Denn der Fall Weihburggasse ist nicht der einzige. Das Urteil -
das nicht unumstritten war, weil im Jahr 1957 von der Republik Österreich
eine Abfindung für das Haus bezahlt wurde, die aber nach Ansicht der
Schiedsrichter »extrem ungerecht« war - hat nun auch andere Erben von Opfern
nationalsozialistischer »Arisierungen« dazu animiert, Anträge auf
Restitution ihrer Immobilien zu stellen, die sich, wie es im Gesetz steht,
zum Stichtag 17. Jänner 2001 »im mittelbaren oder unmittelbaren Eigentum der
Republik Österreich« befanden. So beruft sich Maria Altmann, Nichte und
Erbin des Industriellen Ferdinand Bloch-Bauer, auf einen ungerechten
Vergleich, der die Familie im Jahr 1956 um eine Rückerstattung ihres 1938
zwangsenteigneten Palais in der Elisabethstraße 18 in Wien gebracht hat
(siehe Kasten unten). Heute befindet sich das Palais im Besitz der ÖBB, die
es als Bürogebäude nutzt und zu dem Fall nichts sagen will. Eine
Entscheidung darüber werde es sehr bald geben, so Aicher. Aber auch die
Erben des Fabrikanten Alfred Götzl, Besitzer der Liegenschaft Hohe Warte 36,
sehen mit dieser Entscheidung die Chance, die 1941 »arisierte« Villa, die
1950 restituiert und von den Eigentümern um wenig Geld verkauft worden war,
wieder zu bekommen. Die bis letztes Jahr als Wohnsitz des Bundespräsidenten
genutzte Villa gehört heute der Burghauptmannschaft. Burghauptmann Wolfgang
Beer hofft auf eine Entscheidung der Schiedsinstanz noch vor dem Sommer.
Sollte der Antrag abgelehnt werden, möchte er die Villa um mindestens 3,5
Millionen Euro verkaufen oder sie auch abreißen, wie er ankündigt.

Ebenfalls in Kürze entschieden wird der Antrag auf Restitution des Hauses in
der Schmidgasse 14 im achten Bezirk in Wien, in dem derzeit die
österreichisch-amerikanische Fulbrightkommission sitzt und in dem bis zur
»Arisierung« das Sanatorium Fürth untergebracht war. Drei Anträge auf
Liegenschaftsrestitution wurden bisher abgewiesen, ebenso die diversen
Anträge der Familie Habsburg, wobei es bei dieser Entscheidung allerdings
nur darum ging, ob die Anträge des ehemaligen Herrscherhauses überhaupt
legitim sind. Keinen Antrag auf Rückerstattung gibt es entgegen
ursprünglichen Überlegungen für das Palais am Wiener Kohlmarkt 8-10, das von
1929 bis 1938 der unter der Führung des Hauses Rothschild stehenden
Creditanstalt gehörte und in dem von 1945 bis 2003 das Patentamt saß.

Eine Entkoppelung von Naturalrestitution und Rechtssicherheit könnte auch
den gut gemeinten Absichten hinter dem Restitutionsgesetz nützen, meint
Stoisits : »Jede Verzögerung minimiert die Intention.« Anzeichen sieht sie
allerdings keine. Und dass die Sammelklagen gegen Österreich, an der auch
die Israelitische Kultusgemeinde Wien beteiligt ist, zurückgezogen werden
könnten, daran glaubt sie noch weniger: »Es gibt immer wieder Hinweise, aber
ich glaube es erst, wenn es passiert ist«, so Stoisits.Bewegung gibt es
lediglich bei der 2004 abgelaufenen Frist für Restitutionsanträge: Die soll
bis Ende 2006 verlängert werden, bestätigt Alexis Wintoniak, Büroleiter von
Nationalratspräsident Andreas Khol. Und der Vorsitzende der Schiedsinstanz
Josef Aicher verspricht, sich bei der Regierung um mehr Mitarbeiter zu
bemühen, um die 84 Anträge, die sich überwiegend auf Liegenschaften
beziehen, schneller bearbeiten zu können.
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Zwangstausch Haus gegen Aktien

Stoisits: Naturalrestitution auch ohne Rechtssicherheit möglich.Der Fall des
Palais Bloch-Bauer zeigt, wie die zweite Republik mit Ansprüchen enteigneter
NS-Opfer umgegangen ist.

Mit der Entscheidung des US-amerikanischen Claims Resolution Tribunals, den
Erben des Industriellen Ferdinand Bloch-Bauer rund 17 Millionen Euro
Entschädigung aus einem Schweizer Entschädigungsfonds zuzusprechen, könnte
auch das Verfahren um die Restitution des Palais in der Elisabethstraße 18
im ersten Wiener Bezirk, das ebenfalls dem Industriellen gehörte, Dynamik
bekommen. Denn die von der Schweizerischen Bankgesellschaft gegen den Willen
der Aktionäre verkauften Aktien der Österreichischen Zuckerindustrie AG
(ÖZI), deren Präsident Bloch-Bauer war, wurden den Erben von der Republik
Österreich im Jahr 1956 unter der Bedingung zurückgegeben, dass diese den
Restitutionsantrag für das Palais zurückziehen.
Das Gründerzeitpalais war bis zur Machtergreifung der Nazis in
Familienbesitz und Firmensitz der ÖZI. Mit der Begründung, das Unternehmen
habe Steuerschulden, wurde das Haus von der nationalsozialistischen
Regierung enteignet und um 250.000 Reichsmark an die Deutsche
Reichseisenbahn verkauft, um mit dem Erlös die Steuerschulden Bloch-Bauers
zu tilgen. Die von den Nazis als offizielle Begründung für »Arisierungen«
jüdischen Besitzes gerne verwendeten angeblichen Steuerschulden wurden von
einem Finanzbeamten namens Guido Walcher festgestellt, der kaum als neutral
durchgeht: Verweist er doch in einem 1938 verfassten Bewerbungsschreiben an
die Finanzlandesdirektion stolz auf seine Zugehörigkeit zur NSDAP und auf
seine bereits vor Machtergreifung der Nazis in Berlin verfassten Aufsätze
über »die volkswirtschaftlichen Schäden des jüdischen Finanzsystems«. Bis
1940 war das Palais noch Sitz der ÖZI, die 1938 als jüdisches Unternehmen
vom NS-Staat unter kommissarische Verwaltung gestellt wurde. Die Aktien des
Unternehmens wurden 1939 einkassiert und auf einen Clemens Auer übertragen,
der später nichts davon gewusst haben wollte, dass die Firma, die ihm von
der NS-Vermögensverkehrsstelle übertragen wurde, in jüdischem Besitz war.
Wie die Republik Österreich nach dem Krieg mit dem Thema
Liegenschaftsenteignung umging, zeigt die Entscheidung der
Finanzlandesdirektion Wien aus dem Jahr 1949, die anlässlich einer
Neuaufnahme des Steuerverfahrens zwischen dem Zwangsverkauf und der
Tatsache, dass Bloch-Bauer Jude war, keinen Zusammenhang erkennen wollte.

Extreme Ungerechtigkeit.

Mit der Begründung, die ÖZI habe Steuerschulden, wurde das Haus
Elisabethstraße 18 von der nationalsozialistischen Regierung enteignet und
an die Deutsche Reichseisenbahn verkauft. Heute gehört es den ÖBB.Seit
damals wird um die Rückstellung des Palais gestritten. Ein erster
Rückstellungsantrag wurde im Jahr 1950 positiv entschieden, die Entscheidung
wurde allerdings von der Oberkommission bis zu einer Zustimmung der
Alliierten aufgehoben, was nie zustande kam. Seit vergangenem Herbst liegt
ein Antrag von Maria Altmann, der in Los Angeles lebenden Nichte
Bloch-Bauers und Miterbin, bei der Schiedsin-stanz für Naturalrestitution.
Strittig ist der Fall heute deshalb, weil die Erben im Jahr 1956 den
Restitutionsantrag zurückgezogen haben, um im Gegenzug die Aktien der ÖZI AG
zurück zu erhalten. Schätzungen ergaben damals einen Wert der Immobilie von
1,1 bis 1,2 Millionen Schilling. Randol Schoenberg, der Anwalt Altmanns,
glaubt dennoch an einen Erfolg des laufenden Verfahrens. Denn wenn es, wie
auch im Fall des Palais in der Weihburggasse, bereits ein
Restitutionsverfahren gegeben hat, kann die Schiedsinstanz nochmals in
Aktion treten, wenn es beim ersten Verfahren zu einer »extremen
Ungerechtigkeit« gekommen ist. Auf eine solche Ungerechtigkeit plädiert
Schoenberg im Falle der Elisabethstraße. Die Entscheidung der Finanzbehörde
sei ein Resultat der Verfolgung aufgrund Bloch-Bauers jüdischer Abstammung,
so der Anwalt in einem Schreiben an Josef Aicher, den Vorsitzenden der
Schiedsinstanz für Naturalrestitution.
 

 
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