Home News
 
 

Profil  14.6.2004

Klimt in Sewastopol

NS-Raubkunst. Das Urteil des US-Höchstgerichts, wonach Österreich nun in den USA auf Rückgabe von wichtigen Klimt-Werken geklagt werden kann, wird von der hiesigen Finanzprokuratur mit befremdlichen Äußerungen quittiert.

ÑIch bitte die Erwerbungs- und Tauschvorhaben erst dann laut
werden zu lassen, wenn der Finanzprokuratur der Zeitpunkt hiefür als gegeben bezeichnet wird ... das heißt also, dass aus taktischen
Gründen um eine verzögernde Behandlung gebeten wird."

Karl Garzarolli, Leiter der Österreichischen Galerie, im April
1948 in Verhandlungen um Rückgabe der von den Nazis geraubten
Kunstsammlung des Industriellen Bloch-Bauer

ÑIch glaube, dass die Erben der Familie Bloch-Bauer im Rahmen des Möglichen sehr, sehr gut entschädigt worden sind, in Österreich gab es nach 1945 ja nicht nur blühende Wiesen. Und ich habe den Eindruck, dass man da jetzt noch ein Ultra-Plus draufsetzt."

Gottfried Toman, Finanzprokuratur, über die Klage auf Rückgabe von sechs Klimts durch Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann
 

Von Marianne Enigl

Das Höchstgericht der USA hat am Montag vergangener Woche in einem aufsehenerregenden Spruch festgestellt, dass die Republik Österreich in den USA auf Herausgabe sechs wichtiger Werke Gustav Klimts geklagt werden kann, die sich im Bestand der staatseigenen Österreichischen Galerie Belvedere in Wien befinden. Seitdem herrscht höchste Nervosität. Die Klimt-Sammlung der Österreichischen Galerie, mit derzeit 26 Werken1) die international größte ihrer Art, ermöglichte dem Haus besonders publikumsträchtige Ausstellungen. Die Schau ÑKlimt und die Frauen" wurde 1999 als Ñdas Kulturereignis zu Beginn des neuen Jahrtausends" beworben. Auf dem Plakat prangte ein Damenbildnis Klimts, von dem schon vor Ausstellungsbeginn feststand, dass es an die Familie Danilovatz, die das Gemälde durch Enteignung verloren hatte, zurückgegeben werden muss. Diese Großausstellung und eine folgende mit Landschaften Klimts lockten je rund 300.000 Besucher an.

Jetzt, wo sechs wichtige Klimts der Österreichischen Galerie in
den internationalen Schlagzeilen sind2), darf Galerie-Chef Gerbert
Frodl dazu kein öffentliches Wort mehr äußern. Ein anonym bleibender Kunstkenner hatte jüngst in der ÑPresse" gemeint, ÑFrodl hätte Altmann zwei Klimt-Landschaften geben sollen, man hätte es nicht auf einen Prozess ankommen lassen dürfen". Und Maria Altmann selbst berichtete, Frodl habe ihr gegenüber geäußert, die drei Landschaftsbilder könne man entbehren, die beiden ÑAdele-Porträts" aber dürfe sie der Galerie nicht wegnehmen. So habe sie das ÑGoldene Porträt Adele I" als Geschenk angeboten (in ÑDer Standard", 5.7.1999).

Der Chefjurist. Das Aviso an Frodl, keinerlei Kommentar abzugeben, kam von der Finanzprokuratur: Sie ist eine Behörde des Finanzministeriums und fungiert in allen vermögens- und finanzrechtlichen Fragen als Rechtsanwalt des Staates. Als solcher spielte sie schon in der Nachkriegszeit in allen bedeutenden Rückstellungsverfahren eine zentrale Rolle. Der Publizist, Verleger und frühere profil-Herausgeber Hubertus Czernin, der den Fall Bloch-Bauer/Altmann vor sechs Jahren aufrollte, beschrieb die Praxis, ÑJuden zu zwingen, wertvolle Kunstwerke (der Österreichischen Galerie) zu geben oder zu verkaufen, um im Austausch Exportgenehmigungen für andere Werke zu bekommen"3).

Diese Feststellung wird im 67 Seiten langen Spruch des Supreme Court eigens angeführt.

Die Finanzprokuratur war, wie das aus 1948 stammende Eingangszitat klar dokumentiert, in das Feilschen um Rückgabe des enteigneten Vermögens des Großindustriellen Ferdinand Bloch-Bauer involviert. Das damalige Vorgehen sei, so Czernin, kein Alleingang gewesen, sondern habe dem politischen Konsens entsprochen.

Auch im aktuellen Fall der Werke Klimts, deren Rückgabe die Bloch-Bauer-Erbin Maria Altmann seit 1999 von Österreich verlangt, wird die Republik von der Finanzprokuratur vertreten: In der Behörde mit der Causa betraut ist Hofrat Gottfried Toman.

Der Jurist, der darauf hinweist, dass seine ÑVorgangsweise ständig mit meinem Mandanten, dem Bildungsministerium, abgestimmt" ist, fungiert derzeit als einziger offizieller Sprecher Österreichs in der Causa. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat das Urteil des Supreme Court in der Vorwoche nur knapp kommentiert: Es sei Ñernst zu nehmen", aber eine Ñeher formale Entscheidung".

Die Rolle Tomans als Chefjurist in der Causa ist extrem schwierig: Zum einen hat der Fall internationale Bedeutung, zum anderen steht für Österreich zentrales Kulturgut und der Umgang mit ihm im Rampenlicht.

Seine Aussagen. Vor dem US-Höchstgericht hatte die amerikanische Regierung Österreich in seiner Argumentation unterstützt, ausländische Staaten sollten in den USA vor Klagen immun sein. Wären sie das nicht, so die offizielle Position der US-Regierung, Ñkönnte das schwer wiegende Konsequenzen für die US-Außenpolitik haben, einschließlich der dann ebensolchen Behandlung der USA vor ausländischen Gerichten" (profil 3/04). Der Supreme Court entschied mit sechs gegen drei Stimmen nun dennoch anders. Die schriftliche Begründung des Mehrheitsvotums wurde von Richter John Paul Stevens (er wurde vom Kabinett des Republikaners John Ford bestellt) formuliert. Darin wird erstmals festgestellt: Der 1976 beschlossene ÑForeign Sovereign Immunities Act" ist auch rückwirkend, also auf Handlungen vor 1976, anwendbar. Das Gesetz beschränkt Klagen gegen fremde Staaten in den USA auf Ausnahmefälle. Gleichzeitig schrieben die Richter ihrem Spruch "äußerst engen Anwendungsbereich" zu. Denn vor dem Supreme Court liegt derzeit eine Klage von Koreanerinnen, die im Zweiten Weltkrieg zur Prostitution gezwungen wurden - und eine weitere gegen die französischen Staatsbahnen, die tausende Juden in die NS-Vernichtungslager transportiert haben.

Drei Richter votierten gegen diese bisher einmalige Meinung des Supreme Court. Sie warnten, die Entscheidung bedeute Ñfür unsere Beziehungen mit fremden Regierungen künftig große Unsicherheit". Unter ihnen ist auch der 79-jährige Chief Justice William Rehnquist, er war vom kürzlich verstorbenen Republikaner Ronald Reagan bestellt worden.

Mit dem nun möglichen Prozess Maria Altmanns gegen Österreich wird in Los Angeles ein neues Kapitel aufgeschlagen: Erstmals wird vor Gericht erörtert werden, wie und ob Österreich rechtmäßig in den Besitz der Klimts gekommen ist. Gespräche über einen Vergleich, die Altmanns Anwalt Randol Schoenberg mehrmals angeboten hatte und auch das Gericht in L. A. nun anregen wird, lehnt der Jurist Toman ab. Gegenüber profil sagte er: ÑWir wurden vor ein amerikanisches Gericht gebracht, weil Österreich vorgeworfen wurde, 1948 mit der Familie Bloch-Bauer beziehungsweise Altmann einen miesen Deal geschlossen zu haben. Käme es jetzt zu einem Vergleich, wer kann garantieren, dass man uns später nicht wieder einen miesen Deal vorwirft?"
   Gemessen an der juristischen Exaktheit und Sensibilität, die der heikle Fall fordert, klingt Tomans Aussage befremdlich. Tatsächlich hatte der Anwalt der Erben Bloch-Bauers 1948 in der Hoffnung, für den Rest der Sammlung die Ausfuhrchancen zu erhöhen, folgende Erklärung abgegeben: ÑDie Erben Bloch-Bauer anerkennen den letzten Willen der im Jahre 1925 verstorbenen Frau Adele Bloch-Bauer sowie die Erklärung, die der ebenfalls bereits verstorbene Ferdinand Bloch-Bauer abgegeben hat und mit welcher er sich zur Erfüllung der Bitte seiner verstorbenen Gattin bezüglich der 6 Gemälde von Klimt verpflichtet hat." Nur zwei Tage später stellte er namens der in Übersee lebenden Erben den Antrag, die übrige Kunstsammlung des Industriellen aus Österreich ausführen zu dürfen.

Der Supreme Court zitiert diese ÑEinigung", aber auch die Umstände, die dazu führten. Adele Bloch-Bauer hatte ihren Mann gebeten, Ñmeine zwei Porträts und die vier Landschaften von Gustav Klimt nach seinem Tode der Österreichischen Staatsgalerie in Wien zu hinterlassen". Ferdinand übergab der Galerie 1936 wohl einen Klimt, alle übrigen kamen über NS-Enteignung oder Druck nach Kriegsende in öffentlichen Besitz. Resümee des renommierten österreichischen Zivilrechtsexperten Rudolf Welser: ÑDie Republik Österreich hat in der Zeit zwischen 1923 und 1948 weder einen Anspruch auf die Klimt-Bilder noch das Eigentum daran erworben."

Der Versuch Altmanns, die Klimts aufgrund des österreichischen Kunst-Restitutionsgesetzes von 1998 zu bekommen, scheiterte. Der Restitutionsbeirat stützte die Ablehnung auf ein Gutachten der Finanzprokuratur. Bildungsministerin Elisabeth Gehrer schrieb dann an Altmann-Anwalt Schoenberg, er solle ÑRecht vor ordentlichen Gerichten suchen". Maria Altmann klagte in Österreich, das Gericht billigte ihr Verfahrenshilfe und eine Reduzierung der zu hinterlegenden Gerichtskosten zu (sie betragen ein Zehntel des Streitwerts von 150 Millionen Dollar, des geschätzten Werts der Bilder). Toman erhob dagegen Einspruch. ÑDie gute Dame hat Verfahrenshilfe beantragt, dagegen habe ich Rekurs eingelegt, weil sie ihr Vermögen nicht angegeben hat", so Toman im Gespräch mit profil. ÑWenn Frau Altmann ihren Grundbesitz in Los Angeles nicht anführt, ist der Antrag mangelhaft. Es kann doch bitte nicht so sein, dass ich mein Haus nicht angebe und den Prozess auf Kosten der Allgemeinheit führen lasse."

profil liegt demgegenüber das Vermögensbekenntnis Maria Altmanns vor: Darin hat sie unter Liegenschaften sehr wohl Ñeigens Haus", genaue Adresse, Kaufpreis und Größe angeführt.     Nach dem Rekurs entschloss sich die heute 88-Jährige, den Prozess in den USA zu führen. Toman: ÑDieser Prozess ist mir aufgezwungen worden, ich habe den Prozessort nicht gewählt. Mit Interesse erwarte ich, und da bin ich durchaus etwas zynisch, wie das amerikanische Gericht diese komplexe Materie jetzt handhaben wird."

Bemerkenswert abfällig äußert sich der Chefjurist der Republik zu dem auf 150 Millionen Dollar geschätzten Wert der eingeklagten Gemälde, die alle in den Klimt-Sälen der Österreichischen Galerie präsentiert werden. Toman: ÑEs ist vorstellbar, dass diese Summen erzielbar sind. Ich kann mir aber das Gegenteil genauso vorstellen. Ob die goldene Adele (Anm. Porträt ÑAdele Bloch Bauer I") die 800 bis 900 Millionen Schilling wert ist, von denen vor Jahren die Rede war, hängt davon ab, wie sie präsentiert wird - und wann und wo sie auktioniert wird: ob bei Sothebyís in London oder auf einer Auktion in Sewastopol."
_________

Autor=Marianne_Enigl; Seitennummer=136; Zeilenanzahl=176; Ressort=Kultur; Ausgabenummer=25_04;